Food aktuell
Varia
14.4.2008
Unsere Gene auf Steinzeit-Nahrung eingestellt



Genetisch gesehen leben wir Menschen immer noch in der Steinzeit. Fleisch hat damals in der Nahrung eine herausragende Rolle gespielt und war ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der menschlichen Intelligenz. Heutzutage wird diese Bedeutung vielfach unterschätzt.


Als vor etwa 7 Mio. Jahren die Urzeitverwandten der Menschen von den Bäumen stiegen, ernährten sie sich hauptsächlich von Früchten, Blättern und anderem Grünzeug, was auch die nächsten 5 Mio. Jahre so bleiben sollte. Mit Beginn der ersten Eiszeit vor ca. 2-3 Mio. Jahren veränderte sich jedoch das Nahrungsangebot. Die Regenwälder wurden zu einer Mischvegetation aus Wald, Busch und Steppe, die pflanzliche Nahrung nahm dadurch ab und der damalige Urmensch (Homo habilis) musste sich vermehrt auf Kleingetier und Aas konzentrieren, denn für die Jagd war er noch nicht gerüstet.

Die Evolution machte jedoch Fortschritte und vor ca. 1,7 Mio. Jahren tauchte der grössere und klügere Homo erectus auf. Er jagte aktiv auch grösseres Wild und setzte damit mehr Fleisch auf den Speiseplan. Vögel, Eier, Insekten, wilde Früchte und Beeren, Wurzeln, Keimlinge, Nüsse, Knollen und Hülsenfrüchte sorgten für Abwechslung. Aus dem Homo erectus entwickelten sich der Homo sapiens und der Neandertaler, die über noch mehr Intelligenz verfügten.


Für diese Evolution des Gehirns macht man den Konsum von tierischen Lebensmitteln verantwortlich, denn das verzehrte Fleisch bzw. das Fleischfett der damaligen grossen Wildtiere war reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Von diesen weiss man, dass sie für die Gehirnfunktion wichtig sind (deshalb findet man sie auch in der Muttermilch, da sie für die Gehirnentwicklung des Neugeborenen unerlässlich sind).

Es wird vermutet, dass die Entwicklung des Gehirns und damit der menschlichen Intelligenz erst durch die Bereitstellung grosser Mengen dieser Fettsäuren möglich gemacht wurde und dies war u. a. dem Fleischkonsum zu verdanken (ausserdem auch dem Konsum des Hirns und des Knochenmarks der erlegten Tiere). Aber: Ein grosses Gehirn verbraucht auch sehr viel Energie. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass der Grundumsatz beim Menschen nicht höher ist als bei Primaten üblich.

Der Grund für den gleichbleibenden Grundumsatz trotz höherem Energieverbrauch des Gehirns liegt in unserem Magen-Darm-Trakt, der eine geringere Grösse und einen kleineren Energieverbrauch hat, wodurch der Gesamtenergiebedarf ausgeglichen wird. Auch diese Anpassung war nur möglich durch den Verzehr von qualitativ hochwertiger Nahrung, welche schon in geringen Mengen viele lebenswichtige Mineralstoffe und Vitamine bereitstellt, den Proteinbedarf abdeckt und genügend Energie liefert.

Die Verdauung von voluminösen pflanzlichen Lebensmitteln benötigt einen relativ umfangreichen Magen-Darm-Trakt wie es z.B. bei der Kuh der Fall ist. Durch den Verzehr von tierischen Lebensmitteln konnte bei der Verdauung Energie eingespart werden, die dann dem Gehirn zur Verfügung stand.


Nehmen wir aber die Spur der Evolution wieder auf: Die letzte Eiszeit (nach 125'000 v. Ch.) schränkte das pflanzliche Nahrungsangebot noch weiter ein und machte das Jagen noch wichtiger. Die Forscher gehen davon aus, dass die Nahrung damals zu 65% tierischer und zu 35% pflanzlicher Herkunft war. Die Menschen hatten zum Glück gelernt, das Feuer zu beherrschen und die Lebensmittel zu bearbeiten. Etwa 13'000 v. Ch. endete die Eiszeit und die Temperaturen stiegen langsam wieder an.

Der Übergang zum Ackerbau wurde eingeleitet, vermutlich durch den Druck einer zunehmenden Bevölkerung und dem Rückgang von grossem Jagdwild. Die Menschen wurden sesshaft, begannen wildes Getreide anzubauen und Kleintiere zu domestizieren. Graduell wandelte sich damit auch die Ernährung von Wurzelgemüse, Nüssen, Früchten und Jagdwild (Gazellen, Antilopen und Rotwild) zu einer primär getreidelastigen Diät mit Fleisch, das von Schwein, Ziege, Kuh und Schaf stammt. Das Verhältnis tierischer zu pflanzlicher Nahrungsmittel wandelte sich zu 10 : 90.

Die Ernährung der Jäger und Sammler mit hohem Proteinanteil und wenig Kohlenhydraten wurde damit auf den Kopf gestellt, ausserdem nahm der Anteil der omega-6 Fettsäuren in der Nahrung auf Kosten der omega-3 Fettsäuren zu. Mit der Nahrungs- und Lebensumstellung einher gingen Hunger und Mangelernährung sowie ein verschlechterter Gesundheitszustand (erhöhte Kindersterblichkeit, Knochenerkrankungen, Karies, Anfälligkeit für Infektionskrankheiten). Ausserdem nahm die Körpergrösse der Menschen wie auch die Gehirnmasse etwas ab.

Auch heute noch wird unsere Nahrung vom Getreideanbau dominiert. Doch 10'000 Jahre sind zu kurz, um die Gene, die fast 2 Mio. Jahre an eine Ernährung mit hauptsächlich Fleisch, Früchten und Grünzeug gewöhnt waren, an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Der Anstieg von Krankheiten, die mit unserer Ernährung in Verbindung gebracht werden (Übergewicht, Diabetes, Herzkrankheiten etc.), macht dies deutlich. Eine Ernährung wie in der Steinzeit ist heutzutage jedoch nicht mehr realistisch. Die hohe Bevölkerungsdichte, die Lebensweise in den Industriestaaten, ein verändertes Lebensmittelangebot und vieles mehr verunmöglichen eine Rückkehr zur steinzeitlichen Ernährungsweise.



Auch viel Bewegung war wichtig, denn auch die Jäger der Steinzeit waren oft unterwegs.


Ein paar Grundlagen können wir jedoch beherzigen und damit eine gute Basis für unsere Gesundheit schaffen: Am besten viel frisches Gemüse und Früchte, Fleisch, Fisch, Milch und Nüsse sowie pflanzliche Öle mit einem vergleichsweise hohen Anteil an omega-3 Fettsäuren oder vielen einfach ungesättigten Fettsäuren (z.B. Rapsöl, Olivenöl) auf den Speiseplan setzen. Zucker und einfache Kohlenhydrate wie Süssigkeiten, Weissbrot, weisser Reis etc. sind hingegen einzuschränken.

Text: Alexandra Schmid, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Bern

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