Food aktuell
Varia
17.4.2008
Gesünder dank antioxidativen Lebensmitteln?

Macht der gezielte Konsum von Lebensmitteln mit hochwirksamen Antioxidantien Sinn? Ja aber nur bis zu einem gewissen Mass. Denn auch hier gilt: «Allzuviel ist ungesund».

Michel schreibt zu seinem «Bodyguard»: Die Vitamine ACE wirken antioxidativ. Die Oxidation empfindlicher Moleküle wird verhindert, eine Voraussetzung für die Körperzellen-Funktion.

Antioxidantien sind eine Gruppe von Inhaltsstoffen mit Schutzfunktion vor schädlichen Oxidationen. Dazu gehören einige Vitamine wie A, C und E aber auch viele sekundäre Pflanzenstoffe: Carotinoide und Polyphenole (Phytosterine, Flavonoide und Phytoöstrogene). Einen Teil der sekundären Pflanzenstoffe (SPS) können wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen. Sichtbar sind unter anderem die Carotinoide und Flavonoide in allen rot-gelben Gemüsearten, das Chlorophyll in grünem Blattgemüse oder die Anthozyane in Rotkohl oder blauen Weintrauben. Bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe nehmen wir vor allem mit unserem Geruchssinn wahr. So sind für den typischen Geruch von Zwiebeln schwefelhaltige Verbindungen verantwortlich.

Auch die charakteristischen Geschmacksausprägungen von Gemüse, Obst und Kräutern sind durch sekundäre Pflanzenstoffe bedingt, und die herbe, adstringierende Note stammt von Gerbstoffen, die nichts anderes als Polyphenole sind. Starke Farben und ein intensiver Geschmack bedeuten daher nicht nur kulinarischen sondern auch gesundheitlichen Wert. Soll der Koch nun Früchte mit roten Backen bevorzugen? Falsch ist dies zwar nicht, aber Wäfler meint: «Bevor sich die Konsumenten Gedanken machen, welcher von zwei Äpfeln wohl mehr Antioxidantien enthält, sollten sie darauf achten, überhaupt ausreichend Gemüse und Früchte zu essen».

Antioxidativ-angereicherte Produkte

Als Alternative propagiert die Industrie verarbeitete Produkte. Beispielsweise besteht Knorr Vie, das in 100 Milliliter-Shots abgefüllt wird, aus konzentriertem Frucht- und Gemüsesaft und wirbt mit der Aussage, es sei natürlich und reich an wertvollen Antioxidantien. Die antioxidative Kapizität sei mehr als doppelt so hoch wie bei derselben Menge frisch gepressen Fruchtsaftes. Allerdings: den Vergleich zur ganzen Frucht bleiben die Knorr-Werbetexter schuldig. Auch andere Produkthersteller entdeckten das Potenzial von SPS, und einige loben nicht nur den natürlichen Gehalt aus sondern reichern einen einzelnen Stoff an und kreieren damit einen Functional Food.


Ein Beispiel ist die Acticoa-Schokolade von Barry Callebaut (Bild) mit doppelt so viel gesunden Polyphenolen wie vergleichbare dunkle Schokolade und viermal so viel wie normale Milchschokolade. Verkauft wird sie in Deutschland als «Sarotti PurPur IQ». Der Polyphenolgehalt sei der höchste aller Schokoladen, sagt man beim Schweizer Couverture-Hersteller. Auch der Preis ist höher, denn sie gilt als Functional Food. Polyphenole kommen von Natur aus im Kakao vor und sorgen in letzter Zeit hin und wieder für Schlagzeilen über den Gesundheitswert von dunkler Schokolade (bei Milchschokolade ist der Kakaoanteil nicht genug hoch).

Bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE bestätigt man diesen Gesundheitswert. Acticoa-Milchschokolade enthält laut Firmenangaben mindestens 2.4 Prozent Kakaopolyphenole und dunkle mindestens sechs Prozent Polyphenole (allerdings ist auch ihr Anteil an Kakaobestandteilen mit 72 Prozent in der dunklen sehr hoch). Eine erste Version schmeckte daher ziemlich bitter, leicht adstringierend und nur wenig süss – in der Tat fast eine «bittere Medizin». Die neuste Version schmeckt laut Michael Frey von Barry Callebaut weniger bitter.


Barry Callebaut erklärt, ein spezielles Verfahren entwickelt zu haben zur Verlust-Minimierung der wertvollen Polyphenole, denn vor allem bei der Kakaobohnen-Fermentierung entstehen Verluste. Ein Teil des verwendeten Kakaos ist deshalb unfermentiert – dies erklärt den adstringierenden Eindruck.

Während das Anreichern von Lebensmitteln vor allem durch natürliche Methoden sinnvoll sein kann, können sekundäre Pflanzenstoffe in reiner Form wirkungslos oder gar kontraproduktiv sein. Eine klinische Studie in den Niederlanden ergab beispielsweise, dass in isolierter Form verabreichtes Quercetin vom Körper deutlich schlechter aufgenommen wurde als das in Zwiebeln enthaltene. Und «Supplemente mit hoher Dosierung können negative Auswirkungen auf den Körper haben», warnt Marion Wäfler.


In der Tat: Kürzlich zitierte das Konsummagazin Saldo Forscher der Universitätsklinik Kopenhagen. Diese fanden heraus, dass zusätzlich eingenommene Vitamine A und E sowie Betacarotin in grossen Mengen sogar das Leben verkürzen können. Die Ursache sehen die Wissenschafter darin, dass die freien Radikale im Körper durch die Nahrungsergänzungen zu stark abnehmen. Dies könne sich unter Umständen negativ auf die natürlichen Abwehrkräfte des Menschen auswirken. Offenbar gilt auch bei Antioxidantien die Volksweisheit: «allzuviel ist ungesund».

So darf daher bezweifelt werden, ob auch der systematische Mehrkonsum von Lebensmitteln mit hochwirksamen Antioxidantien Sinn macht. Ein solches ist das kürzlich in den Medien propagierte Krillöl: Das Krustentier Krill galt bisher nur als Hauptnahrung für Wale und Lachse und hielt erst vor wenigen Jahren in Form von natürlichem Krillfleisch Einzug in die menschliche Ernährung.

Seine vorbeugenden Eigenschaften gegen Arteriosklerose bildeten Gegenstand von Untersuchungen, die von Dr. Bartolomé Grillo in der Forschungsstation Artiga in der Antarktis durchgeführt wurden. Der Forscher betont, Krillöl sei ein dreihundert mal stärkeres Antioxidans als Vitamin A und E. Die Frage ist berechtigt, ob ein Lebensmittel mit diesem Potenzial noch zuträglich ist oder schon eher einer «Giftklasse» zuzuordnen sei.

Weiterlesen: Wie wichtig sind antioxidative Lebensmittel?

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