Varia | ||||
31.5.2008 Wie gut ist Bauernhofglace? Viele Landwirte mausern sich von reinen Agrarproduzenten zu Verarbeitern und Direktvermarktern, um mehr Wertschöpfung zu erzielen. So auch bei Glace.
Was bei Alpkäse und Apfelsaft etabliert ist, entsteht auch bei technologisch anspruchsvollen Produkten wie Glace, deren Herstellung bewilligungspflichtig ist. Bauernhofglace gilt in der gehobenen Gastronomie als chic und eine originelle Alternative zu Standardprodukten. Einige Betriebe haben Erfolg mit ihrer Bauernhofglace und beliefern sogar die Gourmetgastronomie. Die Rieder-Farm in Lenk BE erhielt für ihre Glacé sogar den Agropreis 2003. Spezialisierte Firmen wie Koradi Handels AG in Jonen und die holländische Firma Bakker & Kok Keukentechnieken liefern den Landwirten ein Gesamtkonzept mit Maschinen, Zusatzstoff-Compounds, Rezepten und Marketingtipps. «Der Markt ist allerdings gesättigt», konstatiert Glaceexperte Ernst Kobel, «nur mit Qualitätsprodukten können sich die Bauern behaupten. Aber Bauernhofglace variiert in der Qualität von Hof zu Hof». Andere Experten teilen seine Einschätzung. René Ryser, Leiter Anwendungstechnik des Glacezutaten-Lieferanten Pacovis Amrein entdeckt bei Hofglace teilweise auch einen eigelbbetonten Geschmack, den nicht alle Konsumenten schätzen. «Die Voraussetzungen sind besser, wenn der Herstellverantwortliche einen Kurs besucht», rät Kobel. «Und die Qualität wird konstanter, wenn er nebst hofeigenen Beeren auch aroma-unterstützte Fruchtpaste verwendet, denn die Beerenqualität schwankt. Und ohne Bindemittel wird Glace nach ein bis zwei Monaten hart». Kobel stellt Qualitätsunterschiede allerdings auch bei Konditoreiglace fest. Öffentliche Glaceherstellkurse bietet die Fachschule Richemont an sowie die deutsche Eisfachschule Uwe Koch in Iserlohn (eisfachschule.de). Lohnauftrag – sinnvolle Kooperation zwischen Konditor und Bauer Swissice-Präsident Urs Lienhart rät Bauern, nur Spezialitäten wie Büffelmilchglace selbst herzustellen und ansonsten die Hofglace bei einem spezialisierten Konditor der Region im Lohnauftrag herstellen zu lassen. Dadurch bleibt zumindest die Wertschöpfung der Vermarktungsstufe beim Landwirt. Dieses Vorgehen ist auch aus einem andern Grund sinnvoll: Man vermeidet unrentable Investitionen in nicht ausgelastete Glacemaschinen. Glace ist ein sehr saisonales und nur bedingt lagerfähiges Produkt. Der Glacekonsum ist an heissen Sommertagen hoch aber auch in der schönen Jahreszeit wetterabhängig. Kobel stellt ausserdem fest, dass viele Bauern den Glacekonzeptpartner wechseln, weil sie mit dessen Unflexibilität unzufrieden sind. Auch die Landwirtschaftliche Beratungszentrale Agridea in Lindau ZH rät zu Vorsicht vor Investitionen in Glacemaschinen, Kühlvitrinen und Tiefkühlschränke und veröffentlichte vor drei Jahren einen Kommentar zu diesem Trend: «Es zeigt sich zwar, dass Produktionstechnik, Qualität und Hygiene bei Bauernhofglace keine Probleme darstellen. Die Produkte sind einwandfrei und schmecken hervorragend. Aber die Kalkulation zeigt, dass wegen der relativ hohen Fixkosten der Arbeitsverdienst auch bei hohem Absatz (5000 lt./J.) nicht fürstlich ist. Mit total 1400 Arbeitsstunden bleibt ein Arbeitsverdienst von Fr. 15.80 je Stunde». Und weiter: Bei schwacher Auslastung mit einer Verkaufsmenge von nur 1600 lt./Jahr wird nur ein Arbeitsverdienst von Fr. 3‘739.- erreicht, d.h. ein Stundenlohn von Fr. 7.30. In diesem Geschäft kann nur bestehen, wer bereits einen grossen Kundenstamm von Restaurants, Detaillisten und Privatkunden hat, denen Glace als zusätzliches Produkt verkauft werden kann. Welche Mengen sich im Einzelfall tatsächlich verkaufen lassen, ist schwer vorauszusagen. Unsere Kalkulationen ergab, dass erst ab Verkaufsmengen über 8000 lt. ein Stundenlohn von Fr. 20.- erwirtschaftet werden kann. Auch mit dem Argument einer höheren Wertschöpfung bei der Milch ist die Glaceproduktion nicht zu rechtfertigen. Weiterlesen: Dossier Glace | ||||