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12.7.2008 Getränke mit Herkunftsbetonung im Trend Ausländische Mineralwasser und Softdrinks gelten als chic, da die Werbung dies suggeriert. Doch nun ziehen Schweizer Getränkehersteller nach und setzen ebenfalls auf emotionale Werbung, besonders Swissness und Regionalität. Eine Befragung der Schweizer Milchproduzenten (SMP) kommt zum Schluss, dass Qualität, Natürlichkeit und Schweizer Herkunft die wichtigsten Kaufmotive seien. Die regionale Herkunft sei weniger wichtig. Für 43% der Befragten genüge es, wenn das als regional deklarierte Produkt aus der Schweiz stamme. Regionalität sei ausserdem ein schwammiger Begriff. Allerdings: Schweiz und Region stehen nicht für dieselbe Konsumentenerwartung. Von einem Schweizer Produkt erwartet der Konsument ein zuverlässiges und seriöses Produkt, das die hierzulande hohen Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit erfüllt. Mit dem Kauf von Regionalprodukten dagegen will der Käufer zusätzlich die lokalen Wirtschaftskreisläufe fördern. Lokale Spezialitäten mit Erlebniswert Getränkehändler profilieren sich sowohl mit heimischen als auch mit exotischen Produkten. Schweizer Hersteller verfolgen jedoch immer öfter Swissness oder Regionalmarketing als Antwort auf stark beworbene internationale Marken. Eine Doppelstrategie wendet der Ostschweizer Getränkehersteller Thurella an: «Swissness besitzt 90% Bedeutung, und bei 10% wird zusätzlich die regionale Herkunft hervorgehoben», sagt Marcel Odermatt, Geschäftsführer der Thurella Getränke AG. Konsumenten identifizieren sich mit Herstellern ihrer Region - oft kennen sich Produzent und Konsument persönlich. Wenn sie in andere Regionen reisen, lassen sie sich von den dortigen lokalen Spezialitäten faszinieren. So etwa vom Ribelmaisbier im Rheintal (Brauerei Sonnenbräu, Bild) oder vom alkoholfreien, trüben Apfelwein aus dem Eichenfass im Thurgau (Mosterei Möhl). Solche Spezialitäten werden mangels genügender Produktionsmengen oft nur in der Herstellregion distribuiert. Martin Angehrn von Cash+Carry Angehrn (CCA) meint: «Swissness schneidet bei vielen Konsumenten nicht besonders gut ab, denn für Schweizer ist die Region die echte Swissness. Bei Mineralwassern, Bieren und Weinen ist die regionale Herkunft ein gutes Verkaufsargument. Qualität dagegen wird einfach vorausgesetzt». CCA ist spezialisiert auf Regionalprodukte und führt viele solche aus dem Regioprogramm «Culinarium Ostschweiz», das vom Trägerverein Culinarium Ostschweiz geführt und von der Berner Firma ProCert zertifiziert wird. Urs Bolliger von «Culinarium» widerspricht ebenfalls dem Fazit der SMP-Studie und meint, dass «die Region sehr wohl Bedeutung besitzt, auch wenn sie unterschiedlich definiert ist. Der Begriff Region ist eine Frage des Standpunktes»: Aus der EU betrachtet ist die gesamte Schweiz eine Region, aber beispielsweise innerhalb des Kantons St.Gallen gibt es im Rheintal und Toggenburg unterschiedliche Spezialitäten. Bolliger weist ferner darauf hin, dass «die Regio-Konzepte zulegen, während Suisse Garantie stagniert». Auch das Konzept der Migros «Aus der Region. Für die Region» (AdR) wächst. Manor und Volg führten ähnliche Konzepte ein («Feines vom Dorf») und «Culinarium Ostschweiz» nimmt stetig zu seit Jahren. «Bei Culinarium ist der Umsatz innerhalb der Region sogar grösser als beim «Export» in andere Regionen», betont Bolliger. Regionalprodukte ohne Terroir? Nebst Weinen und Mineralwassern, bei denen das «Terroir» den Geschmack prägt, gibt es immer mehr Biere und Fruchtsäfte mit Regionalitäts-Werbung. Das Verkaufsargument der Region appelliert ans Heimatgefühl oder bietet den Touristen Erlebniswert. Beispiele sind die Ostschweizer Mostereien Möhl sowie Thurella, welche die Verwendung von Schweizer Obst betonen. Auch ohne Terroir kann die Regionalprodukte-Werbung zum Erfolg beitragen, wenn die Voraussetzungen von Qualität und Preisakzeptanz erfüllt sind. Flankierende Massnahmen wie Bio- oder Wellness-Konzepte können den Erfolg unterstützen. Ein Beispiel sind Molkendrinks, welche hohe Wachstumsraten besitzen. Die Molkerei Spittel in Wald ZH, Teilnehmerin in Regioprogramm «Natürli Zürcher Berggebiet», berichtet von einem sehr guten Markterfolg ihrer Mokendrinks (Bild). Einige Produkte werden überregional vermarktet wie Toggi-Molkendrinks der Käserei Heiterswil im Toggenburg. Dieser Hersteller weist mit dem Markennamen auf die Herkunft hin. Das Herkunftskonzept wird oft verstärkt durch eine Zertifizierung (AOC, Bio, Suisse Garantie, IP Suisse, und einige Regionalprogramme) sowie durch rezeptorische oder ökologische Mehrwerte. Beispiel Thurella: «Für die Herstellung der Thurella Apfel- und Obstsäfte werden altbewährte Apfelsorten wie Tobiässler, Blauacher, Sauergrauech oder Boskop und spezielle Mostbirnen wie die Egnacher Mostbirne und der Gelbmöstler verwendet», so Odermatt. «Sie reifen an Hochstammbäumen der Region. Um einer Rohstoffverknappung vorzubeugen, setzt sich Thurella für den Erhalt von Obsthochstämmen ein und betreibt ein spezielles Förderungsprogramm für Obstbauern». Herkunftsbetonung allein reicht nicht Eher auf Swissness setzen national operierende Firmen. Beispiel Ramseier Suisse, früher «Unidrink»: «Für Ramseier ist Swissness eminent wichtig», sagt Marco Imfeld, Marketingleiter bei Ramseier Suisse. Die Firma änderte kürzlich aus Marketinggründen ihren Namen und schrieb in der Medienmitteilung: «Um sich die Position als führender Schweizer Getränkeproduzent zu sichern, tritt das Unternehmen mit einer neuen Identität in Erscheinung. Damit einher geht die Umbenennung von Unidrink AG in RAMSEIER Suisse AG. In Zukunft setzt die Firma auf die stärkste Marke mit dem grössten Potenzial: RAMSEIER. Die Fruchtsaftmarke GRANADOR wird sukzessive ab Juli in RAMSEIER integriert». Das Obstsaft-Sortiment von Ramseier ist Suisse Garantie-zertifiziert. «Wir verzeichnen auch bereits erste Erfolge im Export; v.a. in den Mittleren Osten», so Imfeld. Bei Apfelsaft reicht allerdings das Argument der Swissness nicht aus, denn der heimische Most besitzt zwei Nachteile: Viele Konsumenten empfinden ihn als altväterisch-langweilig und zu süss als Begleiter zum Essen. Ernährungsexperten raten ebenfalls, Fruchtsäfte zu verdünnen, wenn sie als Durstlöscher dienen. Rezeptinnovationen der letzten Jahre lösten aber diese Probleme, so dass der Apfelsaftkonsum heute wieder leicht ansteigt. Ein Beispiel ist «Obi pur» von Thurella, ein vakuumgepresster Direktsaft ohne den bei rückverdünnten Konzentraten üblichen Kochgeschmack. Und Schorlen aus Apfelsaft mit Mineral- oder Quellwasser eignen sich dank verringerter Süsse zum Durst löschen wie etwa «Shorley» (Möhl) sowie «Schorle» (Ramseier). Shorley besteht aus 60% Apfelsaft und 40% Passugger Mineralwasser, das im Gegensatz zu Leitungswasser einen Mehrwert darstellt. Ein weiteres intensiv genutztes Konzept ist Wellness, ein Erfolgsfaktor beispielsweise von Rivella. Der Hersteller ergänzt es nun mit Swissness-Werbung. «Bei Rivella sind praktisch alle Rohstoffe Schweizerischer Herkunft, so auch der Zucker», betont Firmen-Sprecherin Monika Christener. Schweizer Zuckerfabriken machen seit Kurzem selbst Swissnesswerbung, obwohl man bei einem chemisch reinen Stoff keine Terroirvorteile anpreisen kann. «Auch das Milchserum, das 35% von Rivella ausmacht, stammt aus Schweizer Milch», so Christener weiter. «Swissness ist für Rivella ein Erfolgsfaktor». Dies gilt vor allem beim Export, den Rivella nach früheren Misserfolgen in Grossbritannien nun in Deutschland wagt und dazu den dort ebenfalls beliebten Kabarettisten Emil Steinberger engagiert. Die Werbetexte stammen aus seiner Feder. Weiterlesen: Kaffee- und Getränke-Trends | |