Food aktuell
Varia
21.9.2005
Marketing-Tipp: Konzepte für Regionalprodukte


Noch bis am 25.9. dauert die «Woche der Genüsse», deren Hauptstadt dieses Jahr das freiburgische Bulle ist. Letztes Jahr trug Rapperswil diesen Titel, und am vergangenen Samstag fand dort der jährliche Markt statt mit regionalen Produkten und Spezialitäten. Aussteller kamen zwar nur wenige, aber die anwesenden boten eine grosse Produkte-Vielfalt an.

Einige Beispiele von Regio- und AOC-Produkten (Fotoreportage) sowie Informationen über die Anforderungen. Für die Hersteller sind solche Prädikate nützliche Marketinginstrumente und für die Einkäufer eine Orientierungshilfe, seien es Gastronomen, Delikatessenshops oder Konsumenten. Vor allem gewerbliche Spezialitäten-Hersteller profitieren von der Verkaufsförderung bei AOC- und Regio-Produkten.



Die höchsten Anforderungen bestehen bei AOC-Produkten (bzw bei der geschützten Ursprungsbezeichnung GUB), die gesetzlich geregelt und somit bewilligungspflichtig sind: historische Verwurzelung in der Region, geografische Begrenzung und traditionelle Herstellweise. Sowohl die Zutaten müssen aus der Region stammen wie auch die Verarbeitung muss dort geschehen. Beispiele: Berner Hobelkäse (Bild, aus der Molkerei Schönried), Greyerzerkäse, Walliser Roggenbrot, Rheintaler Ribelmais. Das Gesuch für «Emmentaler» ist noch hängig wegen Einsprachen.


Weniger streng sind die Anforderungen bei GGA-Produkten (geschützte geografische Angabe): sie sind zwar auch bewilligungspflichtig, aber die Zutaten können aus andern Regionen oder aus dem Import stammen. Beispiele: Bündnerfleisch, Saucisson Neuchâtelois, Walliser Trockenfleisch (Bild).

Die meisten geschützten Ursprungsbezeichungen wurden bisher von Westschweizer Regionen beantragt, in der Deutschweiz ist dieses «Terroir»-Bewusstsein noch unterentwickelt. Gesamtschweizerisch qualifizieren sich nur etwa zwanzig Produkte für diese Bezeichnung, weil sie nicht neu erfunden sein dürfen sondern traditionell sein müssen. Mit neunzehn Registrierungen ist dieses Potenzial schon fast ausgeschöpft.

Nicht gesetzlich sondern privatrechtlich geregelt sind die zahlreichen Regionalmarken, welche selbst definieren, welche Anforderungen sie stellen und oft deren Einhaltung auch selbst kontrollieren. Der Grundsatz der Regionalprodukte ist die regionale Herkunft und/oder Verarbeitung der Zutaten. Aber es gibt grosse Unterschiede bei den Programmpflichten: Das grösste und professionellste Programm ist «Culinarium Ostschweiz», das von einer akkreditierten Stelle zertifiziert wird (ProCert).


Culinarium verlangt bei zusammengesetzten Produkten mindestens fünfzig Prozent Zutaten aus der Region. Beispiel: Knoblauch-Rohesswurst aus reinem Pferdefleisch der Metzgerei Raymann in Rüti ZH. Als Unikum in der Deutschschweiz schlachtet sie Pferde und berichtet von einer guten Nachfrage nach den Pferdefleisch-Produkten (Bild).


Bei nicht zusammengesetzten Produkten verlangt Culinarium hundert Prozent Herkunft aus der Ostschweiz. Beispiel: Rahmweichkäse der Käserei Herschmettlen in Gossau (Bild).


Auch Maismehl und Polentagriess (Bild) aus Mais der Linthebene sind Culinarium-Produkte. Die Neumühle Töss stellt daraus eine Brotmehlmischung her. Das Brot, PanLatino, besitzt eine gelbe Krume und einen attraktiven Geschmack. Auch Teigwaren und Bier werden aus Linthmais hergestellt.


Auch zertifiziert ist «Das Beste der Region», die Dachmarke der Berner und Solothurner Regionalmarken mit Beteiligung des Aargaus (allerdings nicht unter akkreditierten Bedingungen). Dazu gehört «Ämmitaler Ruschtig». Beispiele dieser Region: Emmenspitz, nussig wie Original-Emmentaler aber kleiner, und Hagu Hans, würzig-cremiger Halbhartkäse aus Rohmilch (Bild). «Ruschtig» bedeutet übrigens «Allerlei» - nicht nur weltberühmter Grosslochkäse.


Aus der Berner Region Gantrisch stammt die Belper Knolle der Käserei Glauser: ein Knoblauch-Frischkäse im Pfeffermantel, «das schärfste aus Belp» und nach der Kartoffel schon die zweite «tolle Knolle».


Nicht zertifiziert aber im Marketing sehr aktiv sind die Programme von «Appenzellerland Regionalmarketing» sowie «Natürli Zürcher Berggebiet» (Bild: ein Beispiel ist der geräucherte Zürcher Oberländer Mozzarella der Käserei Bäretswil). Auch in der Westschweiz gibt es Regio-Programme. Beispiele: Produits du terroir du pays de Fribourg, specialités du Jura, Neuchâtel produit du terroir.

«Emotionen wecken und Kunden bewegen», heisst die Marketingstrategie jeder erfolgreichen Regionalmarke: Beim vorbildlichen «Appenzellerland» ist die emotionale Botschaft vor allem das gelebte Brauchtum und die heile Bergwelt.


Piotr Caviezel, Geschäftsführer von Appenzellerland Tourismus AG erklärt: «Produkte wie Appenzeller Alpenbitter oder Appenzeller Käse können Emotionen wecken: der Wert eines Produkts liegt in seiner regionalen Verankerung. Die kommunikativ vermittelte Qualität eines Lebensmittels wird demnach zum Erlebniswert beim Konsum und weckt zugleich die Lust auf mehr». Vorbildlich bei der emotionalen Werbung (Bild) ist die Brauerei Locher (Stichwort: Vollmondbier).

Und wichtig ist die kommerzielle Strategie für Kleinbetriebe: Wer Mittel zusammenlegt, spart und verdient zugleich. Denn (teure) Messeauftritte sind nicht nur Werbeplattformen sondern ebenfalls Verkaufspunkte mit zum Teil beachtlichen Umsätzen. Aber die Präsenz an einer Publikumsmesse in einer andern Region könnte ein Kleinbetrieb aus eigenen Mitteln kaum finanzieren. Auch wenig bekannte Produkte profitieren von Regionalprogrammen. Beispiele: Chrempfli, Ziegenfrischkäse oder Kabier-Rindfleisch». Bild: eines des bekanntesten Appenzeller-Produkte: Biber der Bäckerei Bischofberger.


Das Appenzeller Programm ist nicht zertifiziert, weil es laut Caviezel «eine Werbeplattform zur Verkaufsförderung sein will». Einzelne Appenzeller Betriebe machen bei Culinarium mit, aber sonst sind die Programme von Appenzellerland Regionalmarketing und Culinarium unabhängig.

Sowohl bei AOC wie auch bei Regio-Programmen sind die meisten Produkte handwerklich hergestellt, aber laut ProCert sind industrielle nicht ausgeschlossen. Bündnerfleisch oder Saucisson Vaudois beispielsweise werden oft in Grossbetrieben hergestellt. Und die Industriebäckerei JOWA sowie die Bischofszell Nahrungsmittel AG (beide Migros) machen mit bei Culinarium.

Bei Migros ist ADR (aus der Region) ein starker Trend, bei Coop dagegen nur in Kombination mit Bio. Sowohl handwerkliche wie regionale Ziele verfolgt das neue Bäckerei-Gütesiegel «Naturel» von Richemont, das demnächst startet.

Ebenfalls privatrechtlich geregelt sind die Marken «Suisse garantie» sowie IP-SUISSE. Beide garantieren Schweizer Herkunft, aber die letztere auch einen signifikanten Mehrwert bei Umwelt und Tierhaltung.

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