Food aktuell
Varia
18.3.2009
GDI-Studie: Discount hat Zukunft

Wenn wir uns in den letzten Jahren an eines gewöhnt haben, dann sind das sinkende Preise für Lebensmittel. Doch die zunehmende Verknappung von Rohstoffen setzt dieser Ära nun ein Ende. Im Lebensmittel-Detailhandel zeichnen sich neue Realitäten ab. Wie reagieren die Anbieter – allen voran die Discounter, deren erfolgreiches Geschäftsmodell auf dauerhaft tiefen Preisen basiert?


Am 19.3.2009 eröffnet Lidl Schweiz 13 Filialen: Bellach, Oeschgen, Rothrist, Weinfelden, Sursee, Arbon, Kloten, Winterthur, St. Gallen, Wetzikon, Baar, Zürich und Wohlen

Der Discount ist – man vergisst es oft – eine Idee unserer Gross- und Urgrossväter. So begann die Geschichte von Aldi bereits 1913 in einem kleinen Lebensmittelgeschäft in Essen, und Gottlieb Duttweiler führte seinen Kampf als Tiefpreis-Revolutionär schon in den Zwanzigerjahren. Inzwischen haben sich Discount- Formate in Deutschland, Österreich und der Schweiz etabliert und stellen eines der führenden Vertriebskonzepte dar. Mit schlanker Administration, einfachster Warenpräsentation, einer limitierten Produktauswahl und einem knappen Serviceangebot halten insbesondere die Hard-Discounter die Kosten tief. Ihr anhaltender Erfolg zwang Einzelhändler wie Rewe, Migros oder Coop sich mit Billiglinien wie Clever, M-Budget oder Prix Garantie am Geschäft mit den tiefen Preisen zu beteiligen.

Allerdings erklären tiefe Preise allein den Discount-Boom der vergangenen Jahre nicht. Seit jeher stand Qualität bei erfolgreichen Discountern in einem vernünftigen Verhältnis zum Preis. Im Verlauf der Jahre passten Discounter Leistung und Qualität den steigenden Ansprüchen der Konsumenten stetig an. Bio-, Light- und Frischeprodukte sollten den Zugang zur Mittelschicht öffnen. So weiteten die Discounter ihre Käuferreichweite in den vergangenen Jahren massiv aus. In Deutschland kennen inzwischen nahezu 100% aller deutschen Haushalte Aldi, 90% haben eine Aldi-Filiale im Umkreis von 15 Minuten Fahrzeit. In Österreich und insbesondere in der Schweiz gibt es zwar noch mehr «weisse Flecken». Sollten Aldi und Lidl ihre ehrgeizigen Ziele aber auch hier verwirklichen, sagen Experten durchaus noch tiefgreifende Veränderungen voraus.

Doch alle Erfolge können indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Discounter längerfristig kaum im gleichen Tempo vorankommen werden wie bis anhin – sei es aufgrund bestehender Handelshemmnisse, unterschiedlicher lokaler Konsumgewohnheiten oder mangels günstiger Standorte. Plötzlich hat der Wachstumsstress die bislang erfolgsverwöhnten Discounter erfasst. Wie werden sie auf die neue Situation reagieren? Die Unternehmen selbst machen ihre künftigen Absichten nicht publik. Höchste Zeit also, einen genaueren Blick in die Welt des Discounts zu werfen. Sechs Thesen beschreiben die Zukunft:

1. Discount forever
Eines gleich vorweg: Discount hat Zukunft, in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz. Selbst wenn das Wachstum nicht im selben Tempo vorangeht wie bis anhin, werden sie wieder vom «Notstand» der Konsumenten profitieren: Gerade in Zeiten steigender Lebensmittelpreise und sinkender Haushaltsbudgets steigt die Anziehungskraft der Billiganbieter. Nur, wie werden sich die einzelnen Discounter innerhalb ihres Marktes positionieren?

2. Die Grenzen werden ausgereizt
In Zukunft kehren die Billiganbieter wohl verstärkt zu ihren Wurzeln, dem Hard-Discount, zurück. Gleichzeitig werden immer mehr Soft-Discounter mit grösserer Auswahl, höherwertigen Produkten oder originelleren Einkaufserlebnissen auf die gestiegenen Ansprüche ihrer Kunden reagieren. Und davon profitieren, dass die Konsumenten den Discounter nicht mehr nur aus Preis-, sondern auch aus Qualitätsgründen aufsuchen.

3. Von Tante Emma zu Onkel Albrecht
Einkaufsqualität bedeutet in Zukunft ein ausgewähltes Sortiment mit hohem Frischeanteil zu attraktiven Preisen – optimal für den Discount: Wie keine andere Vertriebsform kann er vom zunehmenden Convenience-Trend profitieren. Denn neben der Preisentlastung bietet dieses Format auch mehrfache psychische Entlastung: Komplexitätsreduktion, Überschaubarkeit, einfache Orientierung, Zeitersparnis und Auswahl ohne verwirrende Vielfalt. Gerade an verdichteten Lagen geht der Trend hin zu kleineren Vertriebsformen, irgendwo zwischen Discount, Convenience- Shop und Kleinst-Supermarkt.

4. Mehr Marken machen’s
Bislang kopierten Supermärkte den Discount, jetzt kehrt die Marschrichtung: Herstellermarken, die letzte Bastion des Supermarkts, sollen zum Wachstumsmotor der Discounter avancieren. Lidl setzt seit jeher auf Markenartikel und hat damit das wirksamste Wettbewerbsinstrument gegen seinen Erzrivalen Aldi gefunden.

5. Dienstleistungen ersetzen Non-Food
Die Discounter entdecken das Online-Geschäft. Vor allem im boomenden Dienstleistungsmarkt bauen sie ihr Angebot aus, eine Alternative zum stagnierenden Non-Food-Geschäft. Weitere Dienstleistungen, möglicherweise gar «Gratisangebote» wie in der Medienbranche, werden folgen. Die Suche nach radikaleren Preismodellen ist eröffnet.

6. Sparen – aber wo?
Wie auch immer die Discounter versuchen, die Grenzen ihres Formats auszureizen, sie müssen Kosten sparen, und dies vor allem beim Personal. Doch aufgepasst, schlechte Arbeitsbedingungen führen zu Imageverlust. Da sind neue Technologien unproblematischer: Self-Checkout-Kasse, RFID, verbesserte Kühltechniken oder energieeffizientere Bauweise. Der Weg zum ultimativen Preisbrecher führt über den technologischen Fortschritt.

Ob in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, der Discount befindet sich in einer der spannendsten Phasen seit seiner Erfindung. So lange er seinem Grundprinzip – gute Qualität zu einem günstigen Preis – treu bleibt, muss er nicht abgeschrieben werden. Denn dieses Verständliche und Verlässliche begründet in Zeiten zunehmender Unsicherheit letztlich seine Überzeugungskraft. An den Details des Konzepts aber wird auch in Zukunft leise und konsequent weitergefeilt werden.

GDI Studie Nr. 30: Discount Forever
Wie sich das Erfolgsformat für die Zukunft rüstet
Von David Bosshart, Martina Kühne
Mit Beiträgen von Rudolf Maurer, Thomas Roeb und Thomas Rudolph
ISBN 978-3-7184-7041-9
Herausgeber: Gottlieb Duttweiler Institute
Langhaldenstrasse 21, CH-8803 Rüschlikon / Zürich
Telefon + 41 44 724 61 11
info@gdi.ch, www.gdi.ch

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