Food aktuell
Varia
24.3.2009
Mehr Glamour für Schweizer Früchte

Die Schweizer Früchte werden zu wenig gut vermarktet, findet man an der ETH Zürich. Bei zunehmend offeneren Grenzen werde das zum Handicap. Produzenten und Handel befürchten, dass das beste Marketing den Schweizer Früchten nicht helfen wird.


Wer Erdbeeren über alles liebt, der greift jetzt zu – die spanischen Erdbeeren sind in den Läden, unübersehbar rot und verlockend. Wer Schweizer Erdbeeren über alles liebt, der muss sich noch ein paar Wochen gedulden, die einheimische Saison beginnt im Mai. Von Mitte Mai bis Ende August werden hohe Zölle auf die importierten Erdbeeren erhoben und die inländischen Früchte haben praktisch freie Bahn.

Falls irgendwann der Agrarfreihandel mit der EU kommt, werden die Schweizer Erdbeeren in der Hauptsaison Konkurrenz erhalten. Heute kostet ein halbes Kilogramm Schweizer Erdbeeren im Schnitt 4.50 Franken und damit fast doppelt so viel wie 500 Gramm importierte Beeren für durchschnittlich 2.50 Franken. Welche Chancen die Erdbeeren unter Freihandelsbedingungen hätten, wurde in einer Studie an der ETH Zürich untersucht.

"Um die Schweizer Erdbeeren mache ich mir gar keine Sorgen", sagt Conradin Bolliger von der Professur für Agrarwirtschaft an der ETH Zürich, der die Studie geleitet hat. "Viele Konsumenten bevorzugen ganz deutlich Schweizer Erdbeeren und warten zum Teil gezielt, bis sie angeboten werden."

Sehr preissensible Konsumenten hingegen würden, sobald es nur noch Schweizer Erdbeeren gebe, gar keine mehr kaufen. Daraus könne gefolgert werden, sagt Bolliger, dass insgesamt mehr Erdbeeren konsumiert würden, wenn während der ganzen Erdbeersaison sowohl Inland- wie auch Importerdbeeren angeboten würden.

Obstverband befürchtet Marktanteilsverlust von einem Drittel

Für Bruno Pezzatti, Direktor des Schweizerischen Obstverbandes, sind Bolligers Schlussfolgerungen "viel zu optimistisch". Der Preisunterschied wäre auch bei freien Grenzen noch zu gross, um bei den Schweizer Erdbeeren Marktanteile halten zu können, sagt er. Eine Studie der Universität St. Gallen sei zum Ergebnis gekommen, dass der Marktanteil der Schweizer Früchte um rund ein Drittel sinken würde. Bei den Erdbeeren mache das gut 1'500 Tonnen aus, die weniger verkauft würden.

ETH-Mitarbeiter Bolliger glaubt, dass diese prognostizierten grossen Marktanteilsverluste beispielsweise bei Äpfeln tatsächlich ein Problem wären. Einerseits weil Äpfel ein "Gewohnheitskauf" seien, andererseits, weil die Marktabdeckung bei den Äpfeln viel grösser sei. Bei Impulskäufen wie Erdbeeren dagegen könne man mit einer besseren Vermarktung und Präsentation von erstklassigen Erdbeeren den Importen durchaus Paroli bieten, findet er.

Genfer Walderbeeren für 12 Franken das Pfund

Als erfolgreiches Beispiel sieht Bolliger die "mara de bois", eine Art Walderdbeere, die in der Region Genf erfolgreich verkauft wird, für bis zu 12.60 Franken pro 500 Gramm. Generell müssten die Produzenten sich noch mehr bewusst werden, dass sie "ein geschmacklich, qualitativ und ökologisch hochwertiges Produkt haben, das hoch angesehen wird." (s. Kasten)


Erdbeeren-Sorte Mara de bois


Pezzatti anerkennt zwar, dass man für Früchte in Premiumqualität möglicherweise mehr herausholen könnte. Das seien aber kleine Mengen und es ändere nichts daran, dass gerade die Erdbeere im Detailhandel "einer der schlimmsten Kampfartikel" sei. Wo tatsächlich noch Verbesserungsbedarf herrsche, sei bei der Präsentation und Verpackung von Früchten, meint Pezzatti. Der Vergleich mit dem Ausland zeige, dass Früchte dort attraktiver und origineller angeboten würden. Grosshandel und Detailhandel seien hier gefordert.

Der Grosshandel fühlt sich aber nicht angesprochen. Peter Bracher, Geschäftsführer der Früchte- und Gemüsehandelsfirma Geiser agro com AG, sagt, der Grosshandel könne da nicht viel dazu beitragen, weil die Verpackung von den grossen Abnehmern bestimmt werde. Das einzige, was von Coop und Migros knapp akzeptiert werde, seien spezielle Verpackungen für die so genannten Clubsorten bei den Äpfeln wie Pink Lady oder Jazz. Eigene Marken zu lancieren sei hingegen eine Illusion.

Auch bei der Migros wehrt man sich. Sprecherin Martina Bosshard sagt: "Schweizer Früchte und Gemüse sind für uns ein zentraler Bereich, wir machen grosse Efforts, um frische Produkte attraktiv zu präsentieren." Bei der Früchte- und Gemüseauslage wolle man eine Art Marktstimmung verbreiten.

Obstverband möchte Früchte und Gemüse aus Agrarfreihandel ausklammern

Für den Obstverband-Direktor Pezzatti ist klar, dass verbessertes Marketing angesichts der Handicaps der Obstbranche nur ein Tropfen auf den heissen Stein wäre. Zu hoch sind nämlich die Subventionen, die in den EU-Staaten für Produktions-, Handels- und Verarbeitungsbetriebe bezahlt werden, zu hoch die Arbeitskosten in der Schweiz. Vielmehr brauche es konkrete Massnahmen des Bundes, damit die Schweizer Produzenten gleich lange Spiesse hätten. Am besten wäre allerdings, so Pezzatti, wenn bei einem Agrarfreihandelsabkommen die Bereiche Früchte und Gemüse ganz ausgeklammert würden.

Sélection-Erdbeeren?

Ein Teil der Schweizer Konsumenten wäre bereit, für Markenfrüchte mehr zu bezahlen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der ETH Zürich und der Marketingfirma HTP. In Migros-Filialen wurden Kunden nach dem Erdbeerenkauf gefragt, ob sie Erdbeeren der Premium-Marke "Sélection" kaufen würden, wenn sie gleich teuer wären wie Standard-Erdbeeren für 4 Franken pro 500 Gramm.

Von den Personen, die sich für die "Sélection"-Beeren entschieden, war knapp ein Viertel bereit, dafür auch einen Franken mehr zu bezahlen. Lediglich acht Prozent der Befragten waren bereit, 4 Franken mehr, also 8 Franken pro 500 Gramm zu bezahlen.

Ist es überhaupt realistisch, dass Schweizer Erdbeeren es in die "Sélection"-Linie schaffen könnten?" Migros-Sprecherin Martina Bosshard ist vorsichtig: "Es müsste schon etwas sehr Spezielles sein, etwa sehr viel frischere oder sehr viel grössere Beeren, oder aromatische Walderdbeeren." Bei Sélection gehe es auch nicht um Herkunft, sondern um Qualität, deshalb sehe man hochqualitative Schweizer Früchte eher im "Aus der Region. Für die Region"-Programm.


(Quelle: LID / Roland Wyss-Aerni)

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