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14.11.2009 Neues Gesund-Label stösst auf Skepsis Erleichtert mehr Nährwert-Information den Einkauf und ernähren sich so die Konsumenten wirklich gesünder? Bild: Doppelinfo über Gramm pro Portion und Prozent vom Tagesbedarf, sogenannte GDA-Angaben. Der Bund prüft die Einführung eines neuen Lebensmittel-Labels, das dem Konsumenten Klarheit bringen soll. Doch auf Anklang stösst es weder beim Handel noch bei den Konsumentenschützern. Keine komplizierten Angaben über Salz, Fett, Energie und gesättigte Fettsäuren, sondern ein klares Label auf der Verpackung: Dies soll dem Konsumenten die Wahl für eine gesunde Ernährung erleichtern. Denn viele Leute haben Mühe, die immer umfangreicheren Nährwertangaben auf den Verpackungen zu interpretieren. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will deshalb 2010 ein Label einführen, momentan wird das Label "Choices" geprüft. Das Konzept dafür arbeitet die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) aus. Das Label basiert auf der Idee, bei verschiedenen Produktekategorien wie zum Beispiel Suppen, Brot oder Snacks die gesünderen Alternativen zu kennzeichnen. Für jede Produktekategorie werden individuelle Kriterien zu gesättigten Fettsäuren, Trans-Fettsäuren, Natrium, zugesetztem Zucker, Nahrungsfasern und Energiegehalt definiert. Sämtliche Produkte, welche den Kriterien entsprechen, können mit dem Label gekennzeichnet werden. Ob das Label wirklich eingeführt wird, ist noch nicht sicher, wie SGE-Projektleiterin Esther Infanger sagt. Derzeit laufe eine Online-Konsumentenstudie zum Thema an. Parallel dazu würden organisatorische und administrative Verfahren erarbeitet, wie zum Beispiel die Vergabe des Labels oder die Kontrolle der Produkte. Unilever ist dafür Beim Nahrungsmittelproduzent Unilever werden in der Schweiz derzeit bereits gegen zwanzig Produkte – mehrheitlich der Marke Knorr – mit dem "Bewusst wählen"-Label verkauft. In Holland sei das Label bereits bekannter, sagt Unilever-Sprecher Markus Abt. In Deutschland und in der Schweiz hingegen sei das Label noch nicht breit verankert. Das Label "Choices" oder zu deutsch "Bewusst wählen" ist auf Initiative der Lebensmittelhersteller Campina, Friesland Foods und Unilever gegründet worden. Das Label kann von Lebensmittelherstellern, Handelsunternehmen und der Gastronomie gegen eine Lizenzgebühr benutzt werden. Die Mitgliedsbeiträge richten sich nach dem Umsatz, den das Unternehmen mit den Produkten macht. "Studien belegen jedoch, dass das Einkaufsverhalten positiv beeinflusst wird. Leute greifen eher zu Produkten mit dem Label", so Abt. Unilever würde es begrüssen, wenn sich die Behörden und Produzenten in der Schweiz auf ein einheitliches, bereits bestehendes Label einigen würden. Nestlé, Coop und Migros sind skeptisch Im Gegensatz zu Unilever zieht der Nahrungsmittelriese Nestlé bei der Einführung des neuen Labels nicht mit. "Die nutritionellen Eigenschaften lassen sich nicht in einem Label zusammenfassen", so die Begründung bei Nestlé. Auch bei den anderen Playern auf dem Schweizer Lebensmittelmarkt findet das Label keinen Anklang: An der Informationsveranstaltung zum neuen Lebensmittel-Label des BAG habe sich ausser Unilever die gesamte Lebensmittelindustrie und der Detailhandel gegen eine Kennzeichnung mit dem Label ‚Choices‘ ausgesprochen, ist von der Medienstelle Nestlé Schweiz zu vernehmen.
Die Grossverteiler jedenfalls sind skeptisch: Für Coop ist zur Zeit noch zu vieles unklar, um zu entscheiden, ob man ein solches Label einsetzen möchte, sagt Coop-Mediensprecherin Denise Stadler. Insbesondere sei noch offen, ob ein solches Label den Konsumenten einen Zusatznutzen bringe. Auch Migros-Sprecherin Monika Weibel äussert sich vorsichtig: "Die Kunden sollen nicht bevormundet werden, sondern selbst entscheiden können, was für sie gut oder schlecht ist." Gesunder Snack, ungesundes Knäckebrot Auch die Konsumentenschützer sind gegenüber dem neuen Label skeptisch. Die Leute seien sich nicht bewusst, dass das Label pro Produktegruppe vergeben werde, sagt Josiane Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). "Für den Konsumenten ist es verwirrend, wenn ein Apéro-Snack als gesund bezeichnet wird, hingegen ein Knäckebrot oder ein Brot keine gleiche Auszeichnung hat", sagt Walpen. Michael Siegrist, Professor für Consumer Behavior an der ETH Zürich, ist der gleichen Ansicht. "Es wird schwierig sein, den Leuten die Relativität des Labels vor Augen zu führen." Auch mache das Label keinen Sinn für unverarbeitete Nahrungsmittel wie zum Beispiel Früchte und Gemüse. "Mit dem ‚Choices‘-Label will die Nahrungsmittelindustrie ihre verarbeiteten Produkte im Gesundheitsbereich positionieren", sagt er. Daher sei es auch nicht erstaunlich, dass Unilever das Label mitinitiiert habe. Laut Siegrist geht der Ansatz des Bundesamtes für Gesundheit in die falsche Richtung. Man müsse sich loslösen von der Idee, dass man Label auf die Lebensmittel aufdrucken könne und sich die Leute dann automatisch gesünder ernähren würden. "Das Problem der gesunden Ernährung ist viel zu komplex." (Text: LID / Helene Soltermann)
«Gute» und «schlechte» Lebensmittel oder «gute» und «schlechte» Ernährung? Gemäss einer vom BAG nicht dementierten Berichterstattung in der NZZ vom 5. Oktober 2009 soll das "Choices"-Label ab nächstem Sommer auf den Lebensmittelverpackungen eingeführt werden mit dem Ziel, den Konsumenten die Wahl von gesünderen Produkten zu erleichtern. Dies geschieht auch in Umsetzung des Nationalen Programms Ernährung und Bewegung 2008 – 2012 (NPEB). Auf vielen Lebensmittelpackungen finden sich zunehmend nicht mehr nur die obligatorischen Angaben zu den Inhaltsstoffen. Auf freiwilliger Basis werden immer öfters auch Angaben zum Nährwert, zu Fetten, Kohlehydraten oder Proteinen aufgedruckt. Erweitert werden solche Angaben durch die ebenfalls noch freiwilligen Informationen darüber, welchen Anteil des durchschnittlich empfohlenen Tagesbedarfs wichtiger Substanzen das Produkt enthält (die sogenannten GDA-Angaben). Zu all dem sollen also einige Produkte noch mit einem einheitlichen Label ausgezeichnet werden. Das "Choices"-Label wurde vom Unilever-Konzern initiiert. Es wird von einer belgischen Stiftung verwaltet, die Länder-Lizenzen vergibt. Beauftragt mit der Erarbeitung des Schweizer Konzeptes für die Einführung ist im Auftrag des BAG die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE). Begründet wird die Notwendigkeit seiner Einführung mit dem Umstand, dass viele Menschen Prozentangaben zum Tagesbedarf nicht interpretieren könnten. Ein grosser Teil der Konsumenten beachte die zur Verfügung stehenden Informationen nicht oder verstehe sie nicht. Mit dem neuen Label soll eine Vereinfachung beabsichtigt sein. Problem der Verständlichkeit Das System basiert auf der Idee, bei verschiedenen Produktekategorien (zum Beispiel Brot, Suppen, Snacks) die gesünderen Alternativen zu kennzeichnen. Für jede Kategorie werden Kriterien definiert. Es geht etwa um maximale Fettmengen, Salz- und Zuckergehalt und um angemessene energetische Werte. Es handelt sich also nicht um ein absolutes Urteil: Die Kunden werden Schokolade mit dem Label finden, während aufgrund der verschiedenen Kategorie-Standards eine Knäckebrot-Sorte womöglich kein Label erhält, wenngleich diese im direkten Vergleich zur Schokolade gesünder wäre. Eine Herausforderung bei der Bekanntmachung des Labels dürfte sein, dass nicht jedes Produkt mit dem Zeichen per se gesund ist und andererseits Produkte ohne Label nicht ungesund sein müssen. Frei nach Paracelsus wird auch hier die Menge das Gift machen. In amerikanischen Medien, etwa in der "New York Times", wurde ein ähnliches System in den vergangenen Wochen kritisch beurteilt, weil am Beispiel der Auszeichnung von Snack-Proukten bewährte Einteilungen von "gesund" und "ungesund" konkurrenziert würden. Genau hier hakte auch die fial im Verbund mit vielen der ihr angeschlossenen Firmen bereits an einer Informationsveranstaltung im September 2008 ein, indem sie einwendete, das Logo unterteile die Lebensmittel in gute und in schlechte Produkte. In Tat und Wahrheit gebe es nicht gute und schlechte Produkte per se, sondern nur eine mehr oder weniger ausgewogene Ernährung mit genügend Bewegung. Gerügt wurde ferner, dass es schon genügend Label zur Auslobung von Lebensmitteln gibt. Meinungen beim BAG offenbar gemacht Aufgrund der Berichterstattung der NZZ vom 5. Oktober 2009 ist davon auszugehen, dass der Entscheid zur Einführung des neuen "Choices"-Labels schon gefällt ist. Dies ist insoweit ein Schönheitsfehler, als die von der SGE zur Entscheidfindung zusammengestellte Begleitgruppe bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht getagt hatte. Offenbar muss nur noch abgeklärt werden, ob hiesige Gewohnheiten und Standards die unmittelbare Übernahme des Labels erlauben. Michael Beer vom BAG hat über die NZZ Gespräche mit der Lebensmittelindustrie und dem Grosshandel angekündigt, bei denen es um die Organisation und die Finanzierung gehen soll. Laut Beer sei es denkbar, dass der Bund das ganze System trage oder dass sich die Wirtschaft über Lizenzgebühren an den noch unbestimmten Kosten beteiligt. Offen sei im Weiteren die Frage, ob eine zentrale Zertifizierungsstelle nötig sei oder Selbstkontrollen genügten. (Mitteilung fial 30.10.2009) Weiterlesen: Wieviel Nährwert-Deklaration ertragen Konsumenten? | |||||||