Die überraschende Aufhebung der Eurokurs-Untergrenze bringt mehrere Branchen in Not. Die FIAL fordert einen Nachtragskredit für den Rohstoffpreisausgleich.
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Die am 15.1.2015 von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) verfügte Aufhebung der Wechselkurs-Untergrenze
zum Euro führt zu einer weiteren Schwächung der Rahmenbedingungen für die exportierende
Nahrungsmittel-Industrie in der Schweiz. Ein genügender Rohstoffpreisausgleich und der Verzicht
auf neue bürokratische Hindernisse sind nötiger denn je.
Die Frankenstärke ist eine der zahlreichen Herausforderungen, mit denen die exportierenden Unternehmen
der schweizerischen Nahrungsmittelindustrie konfrontiert sind. Weil diese Unternehmen nebst den Löhnen
auch ihre grösstenteils schweizerischen Zulieferer in Franken bezahlen, sind sie besonders stark von den
negativen Folgen der Frankenstärke betroffen. Mit der Euro-Wechselkurs-Untergrenze wurden diese negativen
Effekte zumindest teilweise und vorübergehend gemildert. Mit der Aufhebung der Untergrenze
kommen die schweizerischen Lebensmittelhersteller auf den Auslandmärkten zusätzlich unter
Druck.
Ungenügender Rohstoffpreisausgleich und „Swissness“-Bürokratie als zusätzliche Belastung
Auch in anderen Bereichen ist eine zunehmende Verschlechterung der Rahmenbedingungen zu beobachten.
So verwehrt die schweizerische Agrarpolitik der Lebensmittelindustrie den Zugang zu Schweizer Agrarrohstoffen
zu international wettbewerbsfähigen Preisen. Zwar gibt es als Korrektiv ein Rohstoffpreisausgleichssystem.
Dessen Volumen wurde in den letzten Jahren aber laufend zurückgefahren, ohne dass es zu
einer Öffnung der Agrarmärkte gekommen wäre.
2015 ist die Branche gar mit einer Deckungslücke von rund
40% konfrontiert. Und mit der geplanten Einführung des neuen „Swissness“-Regulierungspakets steigt die
Abhängigkeit der Schweizer Nahrungsmittel-Industrie von den geschützten Schweizer Rohstoffpreisen zusätzlich.
Zudem droht eine sehr aufwändige „Swissness“-Umsetzungsbürokratie. Insbesondere für Schweizer
Unternehmen, die in preissensitiven Exportmärkten tätig sind, kann dies einen Anreiz zum Verzicht auf
die Verarbeitung von Schweizer Agrarrohstoffen darstellen. Produktionsverlagerungen ins Ausland als mögliche
Folge dieser Entwicklung sind nicht auszuzuschliessen.
Politik darf Rahmenbedingungen nicht weiter verschlechtern
Die Aufhebung der Wechselkurs-Untergrenze durch die SNB erschwert die Ausgangslage der Schweizer
NahrungsmitteI-Industrie auf den Auslandmärkten. Die Aufhebung der Massnahme trifft die Unternehmen zu
einem Zeitpunkt, in welchem sie bereits in vielen anderen Bereichen (insbesondere Rohstoffpreise, Swissness,
Deklarationsvorschriften und Handelshemmnisse) gegen eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen
kämpft.
Die Politik ist aufgerufen, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, um diese negative Entwicklung
aufzuhalten. Insbesondere ist es dringend nötig, dass der Bundesrat sein Versprechen wahrmacht und
dem Parlament einen genügenden Nachtragskredit für den Rohstoffpreisausgleich beantragt.
(Text: fial)
Milchbranche fürchtet verheerende Auswirkungen
Nachdem die Nationalbank den Mindestkurs hat fallen lassen, geht die Milchbranche von verheerenden Auswirkungen auf den Schweizer Milchmarkt aus. Die Produzentenpreise werden voraussichtlich sinken und Wertschöpfung in Millionenhöhe verloren gehen.
Der massiv stärkere Franken vor allem gegenüber dem Euro und dem US-Dollar habe unmittelbare Auswirkungen auf den Schweizer Milchmarkt. Das schreibt die Branchenorganisation Milch (BOM) in einem Fact Sheet zur aktuellen Lage. Nach ersten groben Schätzungen der BOM wird der starke Franken zu einem Wertschöpfungsverlust von mindestens 20 Millionen Franken führen.
Beim A-Milchpreis (Produkte mit Grenzschutz und solche mit Rohstoffpreisausgleich) habe der Wechselkurs einen indirekten Einfluss, heisst es im Fact Sheet. Betroffen sind die Märkte für gewerblichen Käse, die nun einem deutlich höheren Konkurrenzdruck aus dem Ausland ausgesetzt sind. Aber auch die Märkte für Industriemilch im geschützten Bereich könnten leiden, weil wegen des grösseren Einkaufstourismus Marktanteile verloren gehen könnten.
Grosse Auswirkungen werden beim Schoggigesetz erwartet. Im Rahmen dessen werden Bundesmittel in Höhe von 70 Millionen Franke pro Jahr ausgegeben, um die Preisunterschiede von Getreide und Milchprodukten im Export zu decken. Die Mittel reichen aber bereits aktuell nicht, die Differenz zu den effektiv benötigten Mitteln wird von der Branche getragen.
Mit der Aufwertung des Frankens wird die Differenz zwischen dem EU-Preis und dem Schweizer Preis noch deutlich höher, weshalb sich auch die Lücke im Schoggigesetz noch klar vergrössert. Wie hoch genau dieses Lücke im Milchsektor ausfallen wird, sei noch schwer einzuschätzen, heisst es von Seiten der BOM. Weil die einzelnen Unternehmen im Milchhandel und in der Verarbeitung unterschiedlich betroffen sind, dürfte laut Branchenorganisation der Druck auf den A-Milchpreis je nach Region einige Rappen betragen.
Auf den B-Milchpreis (Milchprodukte ohne Grenzschutz oder Rohstoffpreisausgleich für den Inlandmarkt und den Export) hat der Dollarkurs einen direkten Einfluss. Ein Dollarkurs von 88 Rappen gegenüber 1,02 Franken reduziere den B-Milchpreis um 2,5 auf 48,8 Rappen, heisst es bei der BOM. Das führe zu einer Wertschöpfungsvernichtung von rund 11 Millionen Franken, unter der Annahme, dass 13 Prozent der Milch im B-Segment eingekauft wird.
Bei der C-Milch (Produkte für den Weltmarkt) haben die Wechselkurse von Dollar und Euro direkten Einfluss. Der C-Milchpreis sinkt bei einem Eurokurs von 1,02 Franken und einem Dollarkurs von 88 Rappen um 3,7 Rappen auf 20,1 Rappen. Die BOM rechnet mit einem Wertschöpfungsverlust von 2,5 Millionen Franken, unter der Annahme, dass 2 Prozent der Milch im C-Segment landet.
Ebenfalls Auswirkungen hat der starke Franken auf den Mindestpreis, der für verkäste Milch bezahlt werden muss (LTO+-Preis). Dieser findet vor allem dort Beachtung, wo aus Industriemilch Käse hergestellt wird und der Käse im Konkurrenzkampf mit EU-Käse bestehen muss. Der Preis sinkt laut BOM bei einem Eurokurs von 1,02 Franken um ganze 6,3 Rappen auf 49,8 Rappen.
Die Entwicklung komme in einem äusserst schlechten Moment, da die Milchpreise bereits seit Monaten stark unter Druck seien, schreibt die BOM weiter. Die Branchenorganisation erfülle die momentane Situation mit grosser Sorge.
Weitere Reaktionen zum Euro-Kurs
Die Aufgabe des Euro-Mindestkurses ist besonders für die Schweizer Exportwirtschaft und die Tourismusbranche eine Herausforderung. Auch landwirtschaftliche Branchen ohne Grenzschutz leiden unter dem starken Franken. So schreibt der Verband Schweizer Pilzproduzenten (VSP), dass der Preis- und Importdruck massiv zunehme, da nicht auf einen Grenzschutz zurückgegriffen werden könne.
Der Schweizer Konsumenten Schutz (SKS) sieht die Lösung in einer inländischen Preissenkung, welche den Anreiz zum Einkauf im Ausland dämmen könnte. Dies könne erreicht werden, indem Währungsgewinne bei nun billigeren Importen an die Endkunden weitergegeben würden, schreibt der SKS in einer Mitteilung. Uniterre plädiert für einen „kühlen Kopf“, damit weder die Nahrungsmittel-Industrien, noch die Konsumenten die Aufhebung des Euro-Mindestkurses als Vorwand nutzen können, um den Preisdruck auf landwirtschaftliche Erzeugnisse zu erhöhen.
(Text: LID)
(gb)
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